Grundlegendes zur Ideenlehre

Plato entwickelte die Ideenlehre, nach der die sinnlich wahrnehmbare Welt einer unsichtbaren Welt der Ideen nachgeordnet ist. Von der "Ideenlehre" zu sprechen ist in zwei Hinsichten missverständlich. Erstens formuliert Plato in seiner Philosophie keine einheitliche Lehre. So werden etwa Elemente, die in früheren Dialogen Teil einer solchen Systematik zu sein scheinen, in späteren Dialogen kritisiert, wenn nicht gar verworfen. Zweitens findet sich in Platos Philosophie für diese Entitäten - wie in vielen anderen Fällen - keine einheitliche Terminologie. So nennt er häufig die 'Idee des Schönen' 'das Schöne selbst'. Diese Ideen weisen folgende Merkmale auf:

Sie sind
- ontologisch höherrangig d.h. in höherem Maße seiend sind als die sinnlich wahrnehmbaren Einzelgegenstände;
- unvergänglich;
- unveränderlich;
- Ursache dafür, dass f F ist.

Ontologisch höherrangig meint, dass die Ideen in höherem Maße seiend, wirklich sind als die sinnlich wahrnehmbaren Einzelgegenstände. Ursache sein meint, dass etwa das Schöne (Gerechte, Gleiche, etc.) selbst Ursache dafür ist, dass die einzelnen Dinge, die schön (gerecht, gleich, etc.) sind, genau dies sind. Eine Rose ist etwa deshalb schön, weil sie an der Idee des Schönen teilhat. Die Teilhabe (methexes) bezeichnet neben dem Verhältnis der Einzelgegenstände zu den Ideen auch das Verhältnis unseres Erkenntnisvermögens zu den Ideen sowie das Verhältnis einiger Ideen untereinander.


Ideen und Erkenntnis

Wissen ist für Plato nicht Abstraktion gewonnen aus Erfahrung und überlegung, wie sein Schüler Aristoteles behauptet. Vielmehr ist, dass zwei Gegenstände oder zwei Zahlensummen gleich groß sind, nur dadurch möglich, dass wir an der Idee des Gleichen teilhaben. In einigen Dialogen scheint Plato zudem die Position zu vertreten, dass einiges Wissen in unserer Seele davon abhängig ist, dass wir ein vorgeburtliches Wissen besitzen, an das wir uns erinnern (Anamnesis).


Die Idee des Guten

Jede Idee ist einzigartig und da sie Sein hat, ist sie auch immer mit sich selbst identisch. Die Ideen untereinander haben insofern teil aneinander, als eine bestimmte Idee den anderen Ideen übergeordnet ist. Diese höchste Idee ist - der Politeia zufolge - die Idee des Guten. Ihr ist dieser höhere Status zuzuordnen, da die "gewöhnlichen" Ideen aus ihr hervorgehen. D.h. explizit dass die Idee des Guten den Ideen ihr Sein und Wesen verleiht. In gewisser Hinsicht ist die Idee des Guten daher auch eine Art Meta-Idee und es ist fragwürdig, inwieweit das Gute eine Idee im eigentlichen Sinne sein kann. Denn wie kann sich die Idee des Guten selbst das Sein und Wesen zuweisen? Aufgrund der ursächlichen Funktion der Idee des Guten, ist es das höchste Ziel, die Idee des Guten zu erkennen. Deshalb ist die Erkenntnis von der Idee des Guten, insoweit ihr Erkennen möglich ist, das Ziel der Ausbildung des Philosophen und laut der Politeia Voraussetzung dafür Philosophenherrscher zu werden.


'Wissen(schaft) ist nur als Einheit möglich.'

Die Thesen (a), dass die besten Herrscher die Philosophen sind und (b) dass die Philosophen in der Idee des Guten das höchste Wissen erlangt haben, sind charakteristisch für folgende zentrale Ansicht Platos: (c) 'Wissen bzw. Wissenschaft (episteme) ist nur als Einheit möglich.' Diese Position besagt, dass es keine Einzelwissenschaften geben kann (etwa die Politik, die Astronomie, die Mathematik, etc.), die von einander verschiedene erste Prinzipien besitzen. (In dieser Ansicht wird Aristoteles Plato widersprechen.) Folgerichtig sind die verschiedenen Bereiche der Philosophie Platos miteinander verbunden. So sind Erkenntnis- und Seinslehre (Ontologie) verbunden mit einem Menschenbild (Anthropologie), das allein aus der Liebe, dem Eros zum Guten aus edler Menschlichkeit, der Kalokagathia, die lebensnotwendige und erkenntnisstiftende Dynamik erhält. Nicht unwesentlich für Plato ist auch das Komplement des dynamischen Eros, das beständig freundliche Gefühl der Philia, das unverzichtbare irrationale Element einer stabilen Ganzheit (Einzelseele, persönliche Freundschaft, Staat, Kosmos).


Philosophische Methode: Dialektik

Der Begriff "Dialektik" ist eine Schöpfung Platos. In Platos frühen Philosophie bezeichnet er einfach eine bestimmte Form der Gesprächsführung, bekannt als sokratischen Dialog: Zwei Partner unterhalten sich über einen Gegenstand. Ausgangspunkt ist die Definition des Sprechers A. Mit der Grundlage dieser Definition fragt B A aus. Die Zuteilung der Rollen ist dabei zwingend. Der Definitionsgeber A darf nur antworten; nur der Frager B darf Fragen stellen. In der späteren Philosophie Platos scheint Dialektik auch die Methode der Philosophie überhaupt zu bezeichnen mit der man, in einem sehr langwierigen Prozess, Wissen von den Ideen und schließlich von der Idee des Guten erlangen kann.


Rezeption

Plato ist es so gelungen, eine auf der Aktivität und Struktur des menschlichen Geistes gründende Erkenntnistheorie darzulegen, die nach ihm von Augustinus von Hippo weiterentwickelt und in dieser Höhe auch vom rationalen Idealismus späterer Jahrhunderte nicht übertroffen worden ist. Da praktisch alle Themen, die in der Philosophiegeschichte eine Rolle spielen, bereits bei Plato zu finden sind (auch wenn die Antworten der späteren Philosophen sich von denen Platos oft stark unterscheiden), bemerkte Alfred North Whitehead einmal pointiert, dass alle späteren Entwürfe der europäischen Philosophie im Grunde nur Fußnoten zu Plato seien.


Staatsaufbau

Plato baut in seinem Werk Politeia den idealen Staat analog zur Seele des Menschen auf. Drei Stände entsprechen drei Seelenteilen, wobei jeder Stand sich durch eine ihm in besonders hohem Maße innewohnente Veranlagung auszeichnet:
Die Philosophen (Regenten=Wächter)besitzen eine von Natur aus gegebene Veranlagung zur Intelligenz. Diese wiederum muss durch weitere Ausbildung und Erziehung gefördert werden, zum Zwecke der Hervorbringung der diesem Stand zufallenden Tugend, nämlich die Weisheit. In Analogie zur menschlichen Seele ist hiermit der rationale Seelenteil angesprochen, welcher ebenfalls die Tugend der Weisheit anstreben soll. Die besondere Veranlagung ist hierbei die Vernunft des rationallen Seelenteils.
Der zweite Stand, die Krieger, zeichnen sich vor allem durch eine starke emotionalle Komponente ihres Charakters aus. Durch Ausbildung und Mäßigung sollen sie Mut erlangen, um die Interessen des Staates sowohl nach innen als auch nach außen durchzusetzen und zu stützen. Dieser Stand wird mit der emotionalen Seite der Seele des Menschen gleichgesetzt, dem von Natur aus eine gewisse Erzürntheit innewohnt, die in Analogie zu den Kriegern, durch Erziehung und Mäßigung, zu einem muterfüllten Seelenteil ausgebildet werden soll.
Der dritte Stand (Bauern und Handwerker) ist durch ein hohen Grand an Begehren und damit Begierden charakterisiert. Die ihm entsprechende Tugend ist dabei die Mäßigung. ähnliches gilt daher auch für die im Menschen innewohnenten Triebe.
Wichtig ist vor allem noch die hierachische Einteilung der Stände.("Lehr-, Wehr- und Nährstand"). Wobei die Weisungsbefugniss den Wächtern bzw. rationalem Seelenteil zusteht, die Durchsetzunge den Kriegen bzw. Gefühlen und letztendlich hat der 3 Teil der Seele bzw. Staates diesen beiden obrigen zu folgen.
Ein Mensch ist nur dann glücklich, und ein Staat auch nur dann gerecht, wenn seine drei Seelenteile bzw. Stände sich im Gleichgewicht befinden. Wenn also jeder Teil die ihm obliegende Aufgabe übernimmt ("suum cuique" = "jedem das Seine"). Am Rande seiner Philosophie vom besten Staat erwähnt Plato auch die Insel Atlantis.



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